Hilfe in den schwersten Stunden

 
Die Frage nach dem Beruf neben der kurzen Unterhaltung über das Wetter wohl das beliebteste Small-Talk-Thema auf einer Feier. Wer jedoch Katrin Behrensen ganz nebenbei nach ihrem Job fragt, stellt das Sektglas und die Salzstangen erst einmal zur Seite. Behrensen ist Bestatterin.
"Ich möchte das nicht machen, aber schön, dass du es machst.
Das sind Reaktionen, die ich schon öfter höre", erzählt die Frau mit dem fröhlichen Gesichtsausdruck und den blonden Korkenzieherlocken.
Anders als viele Arbeitskollegen wurde Behrensen allerdings nicht in den Beruf hineingeboren: "Ich hatte das erste Mal mit Bestattern Kontakt, als ich 14 war und meine Oma starb. Später verunglückte dann noch eine Freundin."
Durch diese Erlebnisse wuchs in der heute 25-Jährigen der Wunsch, für Menschen in den schwersten Stunden da zu sein. Nach einer Ausbildung zur Bestattungsfachkraft, die sie als Landessiegerin abschloss, begann sie den bundesweit ersten Lehrgang zum Bestattermeister.
Auf ihrem Meisterbrief prangt nun in geschnörkelten Lettern die Note "sehr gut". Damit ist sie in diesem Jahr die Beste in Deutschland.
Nach dem Abitur 2005 hatte sie die Ausbildung zur Bestattungsfachkraft im Betrieb von Ralf Paulsen 2007 schon als Landessiegerin abgeschlossen und ein Stipendium der Handwerkskammer Lübeck ergattert.
In Behrensens Lehrgang waren die Frauen in der Minderheit: 19 Teilnehmer, 14 Männer. Vielleicht wird so manche Frau von der handwerklichen Arbeit abgeschreckt. "Wir müssen in der Prüfung das Grab per Hand ausheben und ich hatte Bodenfrost", schmunzelt Behrensen. Geschaufelt wird während der Prüfung und des praktischen Teils der Ausbildung am Lehrfriedhof im fränkischen Münnerstadt. Auch das Tragen der Verstorbenen, der Särge und Kränze verlangt höchsten Krafteinsatz.
Behrensen grenzt jedoch ein, dass sie niemanden aus dem vierten Stock überführen müsse, es gäbe ja immer noch Männer im Betrieb.
Jedoch mache die Arbeit mit den Toten lediglich einen Bruchteil der täglichen Arbeit aus. "Zu 90 Prozent arbeiten wir mit den Angehörigen", sagt die Jahrgangsbeste. Dazu gehöre unter anderem der erste Telefonkontakt, das Beratungsgespräch, die Zeitungsanzeige, der Blumenschmuck, die Kontaktaufnahme mit Friedhof und Steinmetz und die Betreuung am Tag der Trauerfeier selbst. Auch nach der Beerdigung bleibe der Bestatter Ansprechpartner für die Angehörigen. Auf Trauerpsychologie wird folglich auch in der Ausbildung zum Bestattermeister viel Wert gelegt. "Wir müssen ja verstehen, warum Menschen wie reagieren. Heute kann die Familie nett sein, morgen wütend",
erzählt Behrensen, "jeder Trauerfall ist anders. Das ist aber auch das Spannende am Beruf." Wenn man abstumpfe, mache man keinen guten Job, ergänzt die junge Frau im Besprechungszimmer, aus dem man direkt in den Ausstellungsraum der Särge schauen kann: Modelle zwischen 600 und 5000 Euro sowie Urnen in sämtlichenFarben oder zum Selbstbemalen.
"Man sollte versuchen, die Sterbefälle nicht mit nach Hause zu nehmen. Manchmal geht das natürlich nicht so leicht, wenn zum Beispiel junge Menschen sterben oder Parallelen zum eigenen Leben erkennbar sind. Dann ist es wichtig, wenn man im Betrieb mit Kollegen darüber spricht", sagt Bestattermeister Ralf Paulsen. "Wir fühlen mit, aber trauern nicht mit, dafür ist auch der Druck der Organisation viel zu groß", sagt Behrensen.